Wie im letzten Beitrag bereits erwähnt, führte mich meine nächste Etappe ganz an die Südspitze Taiwans.
Dort befindet sich der Nationalpark Kenting, eines der beliebtesten (und leider auch heißesten bzw. schwülsten) Touristenziele der Insel. Während meiner bisherigen vier Taiwanurlaube habe ich es nie dorthin geschafft, Zeit war es also.
Ich hatte mir als Bleibe eine Privatunterkunft in Hengchun ausgesucht. Das ist die letzte Stadt vor dem Nationalpark. Entscheidend für mich war, dass hier im Ortszentrum alle Linien der bequemen Touristen-Shuttlebusse zusammenlaufen, ich also ohne umzusteigen überall hin fahren konnte.
Nach einer etwa zweistündigen Anreise musste ich noch einen unerwartet langen Fußmarsch auf mich nehmen. An der Bushaltestelle in Kaohsiung wurde mir zwar bestätigt, dass der Bus mich an einer sehr bequemen Haltestelle rauslassen würde, der Fahrer hatte das aber offenbar vergessen und ließ mich daher erst am Ortsausgang von Hengchun aussteigen. Nicht ganz ideal in einem Ort, der sich ziemlich in die Länge zieht.
Dafür erwies sich die Unterkunft „Big Nose Inn“ als großer Glücksfall, obwohl ich sie erst am Vorabend mangels brauchbarer Hotelangebote spontan gebucht hatte.
Kurz nach der Buchung hatte mir Vincent, der Besitzer, bereits Nachrichten über die Smartphone-Apps Line und WeChat geschickt. Auf dem Wege klärten wir meine ungefähre Ankunftszeit und ich hatte bei Bedarf jederzeit schnellen Kontakt. Als mir beispielsweise die Seife im Zimmer fehlte, stand Vincent bereits eine Minute später damit vor der Tür.
Das gemütliche Haus mit nur vier Gästezimmern befand sich ungefähr fünf Gehminuten vom Stadtzentrum mit allen Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants und natürlich der zentralen Bushaltestelle entfernt. Perfekte Lage: Ruhig, aber doch mit kurzen Wegen.
Den ersten Abend verbrachte ich ausschließlich damit, Hengchun etwas zu erkunden und ein paar Pläne für den kommenden Tag zu schmieden. Der recht abstrakte Wegweiser im Stadtzentrum half dabei nicht besonders weiter, aber zum Glück war direkt gegenüber das „Visitor Center“ mit diversen Broschüren.
In der sehr netten Altstadt Hengchuns hängen über den Straßen überall Windspiele, die besonders toll aussehen, wenn der Wind etwas stärker durch die Straßen zieht. Diese Dekoration scheint ein spezielles Symbol der Stadt zu sein, denn auch in kleinerer Form begegneten mir vor den Häusern und am Straßenrand viele Windmühlen oder wie auch immer man die Dinger nennt.
Eluanbi
Tags darauf fuhr ich nach einem leckeren Frühstück beim Bäcker gegen Mittag mit einem der Touristen-Shuttles nach Eluanbi im Südosten. Dort liegt der südlichste Punkt Taiwans.
Leider werden auf der kleinen Aussichtsplattform immer wieder ganze Busladungen von Touristen ausgesetzt, die dann meist fünf bis zehn Minuten lang laut lärmend überall rumspringen und Fotos in allen möglichen Posen machen. Danach ist wieder für eine Viertelstunde Ruhe und nur vereinzelte Urlauber schauen sich den Ort an.
Die Aussicht ist natürlich wie es sich für eine Küste gehört toll, aber auch der Weg dorthin ist sehr schön. Das Klima zwischen dem dichten Gebüsch entspricht etwa dem Tropenhaus im Zoo. Kaum verwunderlich, denn der Süden Taiwans liegt nun mal in den Tropen.
Beim Blick auf die Küstenlinie fiel mir zwischenzeitlich ein einsamer Angler auf, der, wie sich später herausstellte, mit dem Motorroller bis zur Aussichtsplattform gefahren und von dort über die Felsküste gekraxelt war. Vermutlich ist das Angeln dort nicht so ganz legal, die Anfahrt war es auf jeden Fall nicht – der Weg ist für sämtliche Fahrzeuge gesperrt. Aber das ist typisch für Taiwan. Verbote zählen nur dort, wo sie regelmäßig kontrolliert werden (also fast nirgends).
Die nebenstehenden Sträucher mitsamt Früchten dran wuchsen überall in dem Gebiet. Ich habe keine Ahnung, worum es sich dabei handelt. Die Blätter sehen etwas nach Kaktus aus, aber die Früchte nicht nach typischer Kaktusfeige.
Anschließend besichtigte ich den nur wenig entfernten Eluanbi Park, der zwar etwas Eintritt kostet (unter 2€), aber dafür so groß ist, dass man auch mal gut seine Ruhe hat. Dazu bietet er schöne Aussichten, eine kleine Höhle und einen alten Leuchtturm sowie natürlich jede Menge tolle Natur.
Der Leuchtturm ist übrigens einer der wenigen weltweit, die militärisch befestigt sind. Das lag an den zur damaligen Zeit in der Gegend lebenden Eingeborenen, die den Eindringlingen nicht ganz freundlich gegenüber standen. Außerdem ist er der hellste Leuchtturm in Taiwan. Das dürfte auch daran liegen, dass das Küstengebiet dort als eines der gefährlichsten gilt. Noch heute laufen regelmäßig Schiffe auf Grund oder sinken.
Meine mehrere Kilometer lange Wandertour durch den Park hätte noch etwas länger ausfallen können, da es laut Karte einen Weg über die Felsküste gibt. Der hat jedoch wohl schon bessere Zeiten erlebt, denn von den teilweise nötigen Brücken waren nur noch Sockelüberreste zu sehen.
Nach den schweißtreibenden Ausflügen nahm ich am Abend schließlich den Nachtmarkt von Kenting unter die Lupe. Der ist sehr touristisch, so dass vor allem die besonders bekannten Speisen Taiwans zu finden sind und kaum Besonderheiten.
Interessanterweise befindet er sich direkt an der viel befahrenen Durchgangsstraße und zieht sich dort über eine sehr lange Strecke hin. Permanent bahnen sich daher Motorroller, Autos und Reisebusse den Weg durch die Menschenmassen.
Museumstag
Den zweiten vollen Tag im Süden begann ich spät, indem ich am frühen Nachmittag einen Ausflug ins „National Museum of Marine Biology & Aquarium“ unternahm. Hinter dem sperrigen Namen verbirgt sich eine sehr interessante Kultureinrichtung, die in drei Bereiche aufgeteilt ist.
Erstens die „Gewässer Taiwans“ mit vielen riesigen Aquarien voller Fische, die ich vorher noch nie gesehen hatte. Toll fand ich, dass auch spezielle Lebensräume wie eine Flussmündung oder die Tiefsee simuliert werden. Weiterhin gibt es Anfass-Becken (leider nur zu bestimmten Zeiten und damit nicht für mich) und den „Open Ocean“, der mit seiner sehr langen Beckenwand sowie Sitzplätzen davor etwas an einen Kinosaal erinnert.
Zweitens die „Korallenwelt“, in der unzählige Arten von lebendigen Korallen zu sehen sind. Dazu bieten vielfältige Schautafeln Erklärungen, welche Lebensbedingungen Korallen benötigen und wie ihre Entwicklung aussieht. Eines der Highlights ist der Unterwasser-Tunnel, ein 81 Meter langes Förderband (wie man es von Flughäfen kennt), mit dem der Besucher durch eine Aquarium-Röhre gefahren würde, wenn es denn eingeschaltet wäre. Ich musste die Strecke selbst laufen.
Drittens gibt es noch die „Gewässer der Welt“, die leider etwas enttäuschen. Überwiegend werden Filme gezeigt, teilweise in 3D, um die „echte Welt“ zu simulieren. Immerhin demonstrierten Pinguine, mit was für einem Tempo sie sich unter Wasser bewegen können. Und komische dicke Enten posierten brav für Fotos.
Am Abend spazierte ich schließlich nach Sonnenuntergang zum „Chuhuo“. Das ist ein kleiner Kreis, in dem Gas aus der Erde strömt und dadurch nachts bei trockenem Wetter für schöne Lagerfeuer-Atmosphäre sorgt. Um diesen Kreis herum ist zwar eine Kette angebracht und Schilder warnen vor dem Betreten, aber das hindert eifrige Verkäufer natürlich nicht daran, vor dem Eingang zum Gebiet Wunderkerzen zu verkaufen, mit denen man in dem Erdgasbereich vor sich herumwedelt und so die Feuer neu entfachen kann.
Auf dem Rückweg machte ich am Osttor der Altstadt Halt. Dort hatte vor allem ein riesiger Aufbau auf Pfählen meine Aufmerksamkeit erregt. Was genau das zu bedeuten hat, wurde mir aus der Beschilderung zwar nicht klar, jedoch wurde er für ein religiöses Festival verwendet. In einer Abstimmung wurde der Bau zu den „Top 100 Religious Scenes of Taiwan“ gewählt.
A propos Osttor: Überraschend stellte ich fest, dass eine kleine Treppe hinauf auf das Tor und den noch intakten Teil der alten Stadtmauer führte (nebenstehend abgebildet ist das Südtor). So spazierte ich dann natürlich in völliger Dunkelheit darauf herum und genoss die Aussicht, die umso interessanter wurde, als kurz darauf in der Nähe ein Feuerwerk gezündet wurde.
Baisha Bay und Houbihu
Am letzten Tag fuhr ich mit dem Touristenshuttle entlang der südwestlichen Küste und zunächst zum Touristenstrand Baisha Bay. Der ist besonders deshalb sehr beliebt, weil er gelben Sand bietet. Die meisten übrigen Strände Taiwans sind dagegen grau.
Trotz der überschaubaren Größe des Strands fand ich in der Mitte zwischen den beiden Zugängen ein ruhiges Fleckchen, an dem sich nur wenige andere Touristen aufhielten. Also entspannte ich dort ein bisschen und ließ meine Beine von den Wellen umspülen. Hätte ich mal eine Badehose mitgenommen…
Im Anschluss fuhr ich weiter entlang der Küste nach Houbihu, einem großen Fischerei- und Yachthafen. Von dem hatte ich mir etwas mehr erhofft, als ich dann geboten bekam. Zwei große Gebäude waren für allerlei Geschäfte vorgesehen, vornehmlich natürlich für frischen Fisch. Ein Großteil war aber geschlossen oder stand leer und insgesamt war ich mir nicht ganz sicher, ob es nun eher nach bald anstehender Renovierung oder nach Abriss aussah. Besonders im zweiten, nicht direkt am Wasser liegenden Gebäude waren zwar zwei oder drei Geschäfte geöffnet, das aber nur bei sehr düsterem Licht und mit allerlei Bauschutt drum herum.
Wie verrückt manches in Taiwan ist, sah ich am Hafen auch. Dort durfte ich den Anblick auf ein paar Windräder und direkt daneben die Türme eines Atomkraftwerks genießen. So etwas dürfte in kaum einem anderen Nationalpark der Welt zu finden sein. Der Höhepunkt ist, dass der Abwasserkanal des Kraftwerks als Sehenswürdigkeit gilt und eine eigene Haltestelle des Touristenshuttles bekommen hat.
In der Nähe des Hafens befinden sich wie so oft viele Fischrestaurants und ich hatte gehofft, dort mein Abendessen zu bekommen. Da kam mir allerdings der Busfahrplan in die Quere, denn die Touristenshuttles beginnen schon gegen 17 Uhr ihre letzte Tour. Deshalb fuhr ich die halbe Strecke zurück nach Hengchun (an einer Abzweigung bog der Bus in die Gegenrichtung ab, ganz ging es also nicht ans Ziel) und konnte mir beim folgenden Spaziergang noch die „Vergnügungsmeile“ zwischen Hengchun und dem Touristenzentrum Kentings anschauen.
Große Kinderspielplätze, die ihre beste Zeit längst hinter sich hatten, mischten sich mit Kartbahnen, Quad-Verleihen und allen möglichen weiteren Freizeitangeboten. Etwas abstrus fand ich den nebenstehend abgebildeten „Vergnügungspark“, der eher nach Geisterhaus aussah, obwohl aus den Lautsprechern absurderweise niedliche Kindermusik plärrte.
Als Ausgleich für das entgangene Fischrestaurant gönnte ich mir schließlich eine große Portion Sushi zum Abschied.
Tags darauf fuhr ich mit dem Bus die halbe Strecke Richtung Kaohsiung zurück, bevor ich in Fangliao in den Zug nach Hualien umstieg. Nächster Stopp: Ostküste!
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